Publikation –
5.7.2019
Das OLG Brandenburg (OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.01.2019, Az. 7 W 72/18) hat in einer neueren Entscheidung klargestellt, dass, sofern nicht alle Mitglieder zu einer Mitgliederversammlung des Vereins eingeladen werden, dies in aller Regel dazu führt, dass die gefassten Beschlüsse ungültig sind.
Einer besonderen Anfechtung des Beschlusses der Mitgliederversammlung bedarf es hierzu nicht. Da der Beschluss nichtig ist, ist er so zu behandeln, also ob er überhaupt nicht getroffen wurde.
Die gesetzlichen Regelungen zum Vereinsrecht unterscheiden bei Beschlussmängeln zwischen nichtigen und nur anfechtbaren Beschlüssen.
Der Entscheidung des OLG Brandenburg lag der Fall zugrunde, dass eine Anmeldung eines neu gewählten Vereinsvorstandes betreffend die Eintragung der Vorstandsänderung aufgrund einer stattgefundenen Vorstandswahl zurückgewiesen wurde. Das Vereinsregister verweigerte die Eintragung, da der Verein drei – zum Teil sogar nicht stimmberechtigte – Mitglieder nicht zur Mitgliederversammlung geladen hatte, bei der Vorstandswahlen stattfanden.
Da für das Vereinsrecht der Grundsatz besteht, dass der Verstoß gegen zwingende Vorschriften des Gesetzes oder der Satzung zur Nichtigkeit (Unwirksamkeit) führt, hat das OLG Brandenburg die Unwirksamkeit der Vorstandswahl bestätigt, da die Vereinsmitglieder nicht ordnungsgemäß geladen wurden und nicht festzustellen war, dass der Einberufungsmangel für die Wahlentscheidung ohne Relevanz geblieben ist.
Eine wirksame Vorstandswahl i.S.d. § 32 BGB setzt die ordnungsgemäße Einberufung voraus. Sofern Mitglieder des Vereins jedoch nicht eingeladen werden, liegt ein Einberufungsmangel vor. Es handelt sich zwar nur um einen Verfahrensfehler, der jedoch dann zur Nichtigkeit des Beschlusses führt, wenn der Fehler als relevant für die Ausübung der Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrechte des jeweiligen Vereinsmitgliedes ist. Das reine Recht zur Teilnahme an einer Mitgliederversammlung geht über das Recht zur Abstimmung in der Mitgliederversammlung hinaus. Denn durch die Teilnahme an der Versammlung sind die nicht eingeladenen Mitglieder gehindert, die Willensbildung in der Versammlung durch Beiträge in der Aussprache zur Beschlussfassung zu beeinflussen.
Die Nichtladung eines Teils der Mitglieder ist ein Einberufungsmangel, der einen Nichtigkeitsgrund begründet (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 32 Rn. 9)
Es kommt nicht auf sog. Kausalitätserwägungen an, d.h. es ist unerheblich, dass die Wahl durch die Abstimmung der ungeladenen Vereinsmitglieder anders ausgegangen wäre. Es reicht also, wenn das nicht geladene Mitglied durch Redebeiträge möglicherweise die Willensbildung und somit die Stimmabgabe der anderen Mitglieder beeinflusst hätte.
Alle formellen Mängel, die ein Mitglied an der Teilnahme an der Mitgliederversammlung hindern, führen fast zwingend immer zur Unwirksamkeit (Nichtigkeit) der Beschlüsse. Formelle Mängel liegen beispielweise auch vor, wenn die Einberufung der Mitgliederversammlung zu Unzeiten (z.B. zur Haupturlaubszeit, zu üblichen Arbeitszeiten) erfolgt ist oder wenn die Mitgliederversammlung über Tagesordnungspunkte beschlossen hat, die in der Einladung nicht genannt sind und der Tagesordnungspunkt aber so bedeutend war, dass er möglicherweise den Ausschlag dafür gegeben hätte, ob ein Mitglied zur Versammlung erscheint.
Das Registergericht prüft von Amts wegen, ob die Mitgliederversammlung ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Hierzu zählt auch die ordnungsgemäße Einberufung zur Mitgliederversammlung.
Besteht Unsicherheit, ob die Mitgliedschaft noch besteht, sollten im Zweifel diese Mitglieder lieber eingeladen werden. Das Einladen von Nichtmitgliedern ist eher unproblematisch, da ihre Stimmen leicht aus dem Abstimmungsergebnis herausgerechnet werden können.
Fazit:
Bei der Einladung zur Mitgliederversammlung ist größte Sorgfalt walten zu lassen: Sind nicht alle Mitglieder ordnungsgemäß geladen, können Beschlüsse und Wahlen ungültig sein. Die satzungsmäßigen Ladungsbestimmungen sind daher zu prüfen und genau zu beachten.
Ist im Einzelfall unklar, ob eine Person bereits Mitglied ist oder noch Mitglied im Verein ist, sollte im Zweifel eher zu viel geladen werden. Eine Einladung von Nichtmitgliedern bereitet in der Regel weniger rechtliche Schwierigkeiten als eine versäumte Einladung.
Bei der Vorbereitung wichtiger Beschlussfassungen wie beispielsweise Vorstandswahlen, Satzungsänderungen, Verschmelzungen, Formwechsel etc. sollten die Vereine immer genau prüfen, wer zum Zeitpunkt der Mitgliederversammlung noch Mitglied im Verein ist und eine form- und fristgemäße Ladung aller Mitglieder sicherstellen. Es ist daher unerlässlich für den Verein aktuelle Mitgliederlisten zu führen, aus denen genau ersichtlich ist, wer Mitglied im Verein und zu laden ist.
Fehler bei solchen wichtigen Beschlussfassungen können für die Vereine weitreichende Folgen haben.
Gerne stehen wir Ihnen bei der Vorbereitung (Formulierung von Einladung und Tagesordnung) und Durchführung von Mitgliederversammlungen (insb. auch Protokollierung von Beschlussfassungen) unterstützend zur Verfügung, um Fehler bei der Beschlussfassung zu vermeiden.
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