Publikation –
27.1.2021
Unmittelbar vor dem Jahreswechsel hat die BaFin am 29.12.2020 die überarbeitete Fassung ihres „Merkblattes zu den Geschäftsleitern gem. KWG, ZAG und KAGB“ und des „Merkblatts zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB" veröffentlicht.
Anlass für die Überarbeitung der beiden aus den Jahren 2012 / 2012 stammenden Merkblätter war die Übernahmen von Leitlinien der European Banking Authority (EBA) und der European Security and Markets Authority (ESMA) in der Verwaltungspraxis der BaFin. Konkret handelt es sich um die „Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhaber von Schlüsselfunktionen“ sowie die „Leitlinien zur internen Governance“.
Die Merkblätter richten sich an alle der Aufsicht der BaFin unterstehenden Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute sowie Zahlungs- und E-Geld-Institute außerdem an Unternehmen, die der Aufsicht der BaFin nach dem KAGB unterliegen.
Inhaltlich befassen sich die Merkblätter mit den fachlichen und persönlichen Anforderungen, die die Aufsicht an Geschäftsleiter und Mitglieder von Aufsichtsorganen stellt. Sie enthalten eine Darstellung zu den für die Institute bestehenden Anzeigepflichten und geben einen Überblick über die einzureichenden Unterlagen. Das Verfahren ist nicht neu, aber sowohl die inhaltlichen Anforderungen an die Zuverlässigkeit, Sach- und Fachkunde, als auch die organisatorischen Pflichten wurden deutlich erweitert.
Anzeigepflicht bei Wiederwahl
Neu definiert sind nun Anzeigepflichten bei Wiederwahl. Die Verlängerung einer zeitlich befristeten Bestellung eines Geschäftsleiters unterliegt künftig der Anzeigepflicht, ebenso wie die Verlängerung eines bestehenden Verwaltungs- oder Aufsichtsratsmandat durch Wiederwahl. Im Rahmen des Anzeigeverfahrens wurde der Umfang der einzuholenden Informationen ausgeweitet und es bestehen auch erweiterte Informationspflichten der Institute gegenüber der Aufsicht.
Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass die Beurteilung der BaFin, wann die Erstattung der vorgeschriebenen Anzeige „unverzüglich“ erfolgt, sich geändert hat. Während die Aufsicht bisher Unverzüglichkeit annahm, wenn eine Frist von vier Wochen nach der Entscheidung des zuständigen Organs noch nicht überschritten war, kommuniziert sie nunmehr in den neuen Merkblättern, dass eine Anzeige dann unverzüglich erfolgte, wenn ein Zeitraum von zwei Wochen nach der Entscheidung noch nicht überschritten ist.
Pflicht zur Einführung von Richtlinien und Prozessen
Der vollständig neu eingeführte Abschnitt „Pflichten der Geschäftsleiter“ stellt deutlich klar, dass eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation einen Prozess zur Sicherstellung der Eignungsanforderungen, die an die Geschäftsleiter und Aufsicht- und Verwaltungsräte gestellt werden, umfassen muss.
Diese konkreten Anforderungen der Aufsicht werden in einem neuen Teilabschnitt „Richtlinien und Prozesse“ konkretisiert. Die Geschäftsleiter sind verpflichtet, einen entsprechenden Prozess zu implementieren und schriftlich zu fixieren. Die Aufsicht erwartet dabei insbesondere die Einführung folgende Richtlinien:
• Eignungsrichtlinie
• Diversitätsrichtlinie für Geschäftsleitung, Verwaltungs- und Aufsichtsorgan sowie Mitarbeiter
• Einführungs- und Schulungsrichtlinien
• Richtlinien zum Umgang mit Interessenkonflikten für die Geschäftsleitung, Verwaltungs- und Aufsichtsorgan sowie Mitarbeiter
Ab dem Jahr 2021 werden diese Kriterien bei der Prüfung des Vorliegens einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation zu Grunde gelegt werden.
Grundsatz der Proportionalität
Die BaFin hat in der Einleitung beider Merkblätter klargestellt, dass bei der Ausübung der Verwaltungspraxis der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt. Bei der Ausgestaltung der Richtlinien ist daher der zu fordernde Detailierungsgrad von der Größe, der internen Organisation, sowie von Art, Umfang und Komplexität des jeweiligen Geschäftsmodells abhängig (Grundsatz der Proportionalität).
Unsere Empfehlung
Nach unserer Beratungserfahrung leitet sich aus den neuen Merkblättern für viele Institute jedweder Größe Handlungsbedarf ab. Zunächst sollte mittels der geforderten Richtlinien eine schriftliche Fixierung des Prozesses zur Sicherstellung der Eignungsanforderungen erfolgen. Als klares To-Do im Zusammenhang mit der geforderten Schulungsrichtlinie sehen wir die Überprüfung des Schulungsbedarfs der Gremienmitglieder und die Entwicklung eines Schulungskonzeptes. Aufsichts- und Verwaltungsratsmitglieder sind über die Änderungen im Rahmen der Fit-and-Proper-Prüfung ebenso zu informieren, wie die Geschäftsleitung. Wir empfehlen frühzeitig zu prüfen, ob die aktuelle Gremienbesetzung den neu definierten Anforderungen genügt. Ganz wichtig ist die Sicherstellung der neuen Anzeigepflichten bei Wiederbestellungen und die Wahrung der verkürzten Anzeigepflicht.
Mit unserer langjährigen Erfahrung in der rechtsicheren Umsetzung neuer regulatorischen Anforderungen können wir Sie dabei unterstützen, in Ihrem Unternehmen einen Prozess zu etablieren, der zu Ihnen passt. Wir begleiten Sie in Umsetzungsprojekten oder analysieren für Sie im Rahmen einer Bestandsaufnahme, welche konkreten Anforderungen sich für Ihr Haus ergeben. Gemeinsam erweitern wir Ihre Geschäftsorganisation, um Sie rechtssicher aufzustellen, ohne dabei den Blick für die Effizienz Ihrer Prozesse zu verlieren. Schulungen konzeptionieren wir nach ihrem individuellen Bedarf und machen Sie und Ihr Haus mit interaktiven Inhouse-Trainings (aktuell auch als Online-Lösung) „fit and proper“.
Rechtsanwältin, Partnerin,
Certified Chief Compliance Officer,
Zertifizierter Human Rights Officer
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht,
Rechtsanwalt, Partner,
Zertifizierter ESG-Officer