Neuigkeit –

3.3.2023

Folge von Vergabeverstößen bei Fördermittelgewährung

Wer in den Genuss staatlicher Fördermittel kommen möchte, hat entsprechende Förderrichtlinien zu berücksichtigen. Sie legen den Zuwendungsempfängern in aller Regel Verwendungspflichten betreffend den Umgang mit den bewilligten Fördermitteln auf und verpflichten zur Einhaltung des öffentlichen Vergaberechts. Bei Verstößen droht dem Empfänger die Pflicht zur Rückzahlung der Fördermittel.

Vergaberechtspflichten in der Förderpraxis

Kennzeichnend für den Umgang mit staatlichen Fördermitteln ist das Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebot. Im vereinfachten Sinne hält dieses Gebot den Fördermittelempfänger dazu an, mit staatlicherseits bewilligten Fördermitteln wirtschaftlich vernünftig hauszuhalten. Verschwenderischem Investitionsverhalten– das zudem Gefahr läuft, den Förderzweck zu missachten – soll über die vom Zuwendungsempfänger zu berücksichtigenden Förderrichtlinien ein Riegel vorgeschoben werden. Letztere verfolgen die Umsetzung der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung insbesondere durch die Auferlegung von Verwendungspflichten.

Insoweit besonders umfangreiche und die Fördermittelverwendung maßgeblich beeinflussende Verwendungspflichten sind solche, welche die Zuwendungsempfänger dazu anhalten, das Vergaberecht ordnungsgemäß anzuwenden – ihnen gilt daher aus Sicht der Zuwendungsempfänger besondere Aufmerksamkeit. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass das Vergaberechtsregime laut den gängigen Förderrichtlinien selbst für solche Personen beachtlich ist, deren Nachfragetätigkeit am Markt normalerweise nicht dem Anwendungsbereich des Vergaberechts unterfallen kann. Dies bedeutet, dass jeder Zuwendungsempfänger im Rahmen der Fördermittelverwendung wie ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts verpflichtet wird – unabhängig von dessen Rechtspersönlichkeit.

In der Förderpraxis wird die Vergaberechtspflicht dem Zuwendungsempfänger dergestalt auferlegt, dass die Förderrichtlinien entweder als Auflagen zum Inhalt des Zuwendungsbescheids gemacht oder – im Falle einer vertraglich vereinbarten Mittelgewährung – als AGB gestellt werden.


Pauschale Vorgaben zur Vergaberechtsanwendung

Damit das Schicksal staatlicher Fördermittel über das Vergaberechtsregime vorab möglichst weitreichend bestimmt werden kann, erfolgen durch den Zuwendungsgeber häufig pauschale Vorgaben zur Anwendung des Vergaberechts unter Benennung der zu berücksichtigenden Vergabegesetze. Derart pauschale Verweise auf Vergabegesetze sind jedoch genauer zu überprüfen. Denn nicht selten wird vom Zuwendungsgeber noch auf nicht mehr in Kraft befindliche Gesetze wie die VOL/A oder VOF Bezug genommen.

Um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden empfiehlt es sich häufig, den Zuwendungsgeber auf etwaige Unzulänglichkeiten frühzeitig hinzuweisen.


Gesteigerte Gefahr der Fördermittelrückforderung

Tendenziell niedrig sind die Voraussetzungen für die Rückforderung von Zuwendungen aus dem europäischen Haushalt sowie der Zuwendungen auf Basis nationalen Rechts im Falle eines Vergaberechtsverstoßes der Zuwendungsempfänger. Dies gilt sowohl oberhalb als auch unterhalb der EU-Schwellenwerte. Daraus ergibt sich für die Zuwendungsempfänger eine gesteigerte Gefahr, Adressat eines belastenden Rückforderungsbescheids zu werden.

So entschied der EuGH mit Urteil vom 26.05.2016 in den Rechtssachen C-260/14 und C-261/14, dass ein Verstoß gegen Vergaberegeln dann zu einer Rückforderung der Fördermittel führen kann, wenn der Verstoß einen Schaden für den Gesamthaushalt der Europäischen Union in Gestalt einer ungerechtfertigten Ausgabe bewirkt hat oder dies zumindest droht. Zuwendungsempfänger können sich ferner nicht darauf berufen, auf das Recht zum Behalten der Fördermittel vertraut zu haben. Für Letztere bedeutet dies im Ergebnis eine weitere Erhöhung der Gefahr, sich einer rechtmäßigen Rückforderung von Fördermitteln gegenübergestellt zu sehen.

Im Bereich nationaler Zuwendungen kann eine komplette oder zumindest teilweise Rückforderung von Zuwendungsbescheiden potenziell immer dann erfolgen, wenn die Zuwendungsempfänger gegen die laut Zuwendungsbescheid beachtlichen Vergaberegeln aus den Förderrichtlinien verstoßen. Die beachtlichen Förderrichtlinien setzen zwar nicht selten einen „schweren Vergabeverstoß“, also eine Pflichtverletzung von bestimmter Erheblichkeit voraus, an welche die Rechtsfolge des Widerrufs eines ursprünglichen Zuwendungsbescheids geknüpft ist. Bedenkt man allerdings, dass die Anwendung der diffizil normierten Vergaberegeln einer hohen Fehleranfälligkeit unterliegt, ergibt sich hieraus für die Zuwendungsempfänger eine erhebliche Gefahr möglicher Rückforderungen aufgrund von Vergabeverstößen. Verstärkt wird dieses Rückforderungsrisiko durch den in Betracht kommenden Zeitraum, in dem eine Rückforderung staatlicherseits vorgenommen werden kann. Dies ist nicht selten noch Jahre nach der Mittelgewährung und vor allem auch der Mittelverwendung möglich.


Umgang mit Rückforderungsbescheiden

Sollte sich die Gefahr einer Rückforderung ursprünglich gewährter Fördermittel aufgrund einer fehlerhaften Anwendung des Vergaberechts für Sie als Zuwendungsempfänger verwirklicht haben, so sollte die Rückzahlung der gewährten Mittel gleichwohl nicht ohne vorherige rechtliche Prüfung vorgenommen werden.

Verstoßen Zuwendungsempfänger gegen Vergaberechtspflichten aus dem ursprünglichen Zuwendungsbescheid, ist damit nämlich nicht automatisch gesagt, dass ein Widerruf des Zuwendungsbescheids die ermessensgerechte Rechtsfolge darstellt – unabhängig davon, ob etwaige Förderrichtlinien dies so vorsehen.

So sind bei dem Widerruf einer Zuwendung von der zuständigen Behörde stets ordnungsgemäße Ermessenserwägungen anzustellen. Diese Erwägungen dürfen nur in bestimmten Grenzen ausgeübt werden. Die Grenzen setzen einerseits der Zweck derjenigen Regelung, welche die Behörde zur Ermessensausübung berechtigt und andererseits höherrangiges Recht. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Förderrichtlinien den Zweck einer sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung verfolgen. Für die Grundsatznormen des Art. 114 Abs. 2 GG und § 6 Abs. 1 HGrG, die den Förderrichtlinien gegenüber höherrangig sind, gilt hinsichtlich des verfolgten Zwecks nichts anderes. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, dass die Behörde auch in Fällen des intendierten Ermessens den ihr zustehenden Ermessensspielraum erkennt und prüft, ob ausnahmsweise eine andere Entscheidung als der vollständige Widerruf des Zuwendungsbescheides in Betracht kommt.

Die leitende Frage, die sich die zuständige Behörde bei der Ausübung ihres Widerrufsermessens daher zu stellen hat, ist: Inwieweit beeinträchtigt der Vergaberechtsverstoß des Zuwendungsempfängers überhaupt die sparsame und wirtschaftliche Verwendung der ihm gewährten Mittel. Der Umfang des ausgeübten Widerrufsermessens muss dabei in einem angemessenen Verhältnis zu dem Grad der Beeinträchtigung einer sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung stehen. Ist dieses Verhältnis gestört, so hat die vollumfänglich zurückfordernde Behörde die Grenzen des ihr zugestandenen Ermessens überschritten. Der Rückforderungsbescheid, dem der Zuwendungsempfänger ausgesetzt ist, kann damit rechtswidrig sein.

Gleiches gilt für die Fälle, in denen die ursprüngliche Zuwendung auf Grundlage eines privatrechtlichen Vertrags anstelle eines Zuwendungsbescheids gewährt wurde. Insoweit wird in der Rechtsprechung aus dem sog. Übermaßverbot abgeleitet, dass die für eine etwaige Rückforderung zuständige Behörde ihr Ermessen darüber auszuüben hat, ob und in welchem Umfang ein Rückforderungsanspruch gegenüber den Zuwendungsempfängern geltend gemacht wird.


Überschreitung der Ermessensgrenzen als Frage des konkreten Einzelfalls

Die Beurteilung über das Vorliegen eines angemessenen Verhältnisses zwischen der Ausübung des Widerrufsermessens und der Zweckbeeinträchtigung entzieht sich einer generalisierenden Beurteilung. Immerhin stehen sich gegenläufige Interessen gegenüber, die jeweils möglichst umfangreich zu berücksichtigen sind, indem sie in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden müssen. Einerseits nämlich das Interesse der Zuwendungsempfänger am Erhalt der gewährten Zuwendung, andererseits das öffentliche Interesse an der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung staatlich gewährter Haushaltmittel.

In höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird bei dem der Behörde zustehenden Widerrufsermessen von sog. intendiertem Ermessen ausgegangen. Dies bedeutet konkret, dass der behördliche Widerruf der Zuwendung als Rechtsfolge bereits gesetzlich in § 49 Abs. 3 VwVfG vorgezeichnet ist. Allerdings ist in Einzelfallkonstellationen atypischer Natur von der gesetzlich vorgegebenen Art und Weise der Ermessensausübung – d.h. dem Widerruf der Zuwendung – abzusehen. Derartige Umstände muss also die Fördermittelstelle in jede Einzelfallbetrachtung mit einbeziehen, um den verhältnismäßigen Interessenausgleich herstellen zu können. Neben der Frage, ob durch den Vergaberechtsverstoß eine sparsame und wirtschaftliche Mittelverwendung beeinträchtigt ist, sind weitere Aspekte beachtlich. Beispielsweise, ob der Zuwendungsempfänger in selbst verschuldeter Weise gegen das Vergaberecht verstoßen hat und ob die Förderrichtlinie, die die Beachtlichkeit des Vergaberechts normiert, ihrerseits rechtmäßig ist.

Aus den konkreten Einzelfallumständen kann sich ergeben, dass etwa die Wahl einer fehlerhaften Vergabeart nicht zwingend ausreichend ist, um einen schwerwiegenden Vergabeverstoß im Sinne der Förderrichtlinien zu begründen. Ein vollumfänglicher Widerruf des Zuwendungsbescheids wäre in diesem Fall rechtswidrig und ein Rückforderungsbescheid in der Folge erfolgreich anfechtbar. Gleiches gilt bei lediglich formalen Vergabeverstöße wie fehlerhafte Dokumentationen (OVG Rheinland-Pfalz, 10.12.2019 – 6A 10517/19; OVG Schleswig, Beschluss vom 18.12.2020 – 5 LA 179/20; OVG Schleswig, Urteil vom 23.08.2022-5 LB 9/20).


Fazit

Die mit der Zuwendungsbewilligung verbundenen Vergaberechtspflichten bergen für den Zuwendungsempfänger das erhöhte Risiko einer etwaigen Zuwendungsrückforderung seitens der öffentlichen Hand. Zugleich steht diesem erhöhten Rückforderungsrisiko jedoch auch eine entsprechend gesteigerte Chance des Zuwendungsempfängers gegenüber, eine tatsächlich ausgesprochene und auf einem Vergaberechtsverstoß basierende Rückforderung erfolgreich anzugreifen.

Bei der Abwendung der Rückforderung stehen insbesondere zwei Punkte im Fokus, die im Wege einer Einzelfallüberprüfung aufzugreifen sind. Zum einen die Frage, ob überhaupt vom Zuwendungsempfänger ein Vergaberechtsverstoß begangen wurde. Zum anderen – falls ein solcher Verstoß tatsächlich vorliegt – ob dieser Vergaberechtsverstoß die sparsame und wirtschaftliche Mittelverwendung des Zuwendungsempfängers beeinträchtigt und ob dem Widerruf der Zuwendung weitere Einzelfallumstände entgegenstehen.

Sollten Sie sich als Fördermittelempfänger einer behördlichen Rückforderung ehemals gewährter Fördermittel ausgesetzt sehen oder haben Sie als Fördermittel gewährende Stelle Vergabeverstöße bei Empfängern Ihrer Fördermittel festgestellt, deren Rückforderung Sie erwägen, prüfen wie für Sie gerne die Erfolgsaussichten eines möglichen Vorgehens.

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