Publikation –
2.4.2020
Wir stellten bereits einige praxisrelevante Punkte in unseren Beiträgen „Coronavirus – was muss der Arbeitgeber beachten?“ und im Blogbeitrag „Aus aktuellem Anlass – Kurzarbeit & Co“ zusammen. Zur Möglichkeit des Home-Office berichteten wir ebenso („Home-Office – arbeitsrechtliche Grundlagen“). Im vorliegenden Beitrag wollen wir auf einige Fragestellungen eingehen, die derzeit in Personalabteilungen im Rahmen einer beabsichtigten Kurzarbeit immer wieder aufkommen.
1. Welche betrieblichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen kann?
Basierend auf dem Gesetz v. 13.3.2020 erließ die Regierung am 23.3.2020 eine entsprechende Verordnung, die zunächst befristet bis zum 31.12.2020 ist – sie machte also zunächst noch nicht davon Gebrauch, eine Regelung bis zum Jahresende 2021 zu treffen. Basierend auf einer Betriebsvereinbarung, sonst auf einer arbeitsvertraglichen Verabredung, sollten Arbeitgeber aus unserer Sicht also zunächst Kurzarbeit allenfalls bis zum Jahresende 2020 anordnen und die weitere gesetzliche Entwicklung abwarten.
Gemäß § 96 Abs. 1 Ziff. 4 SGB III muss im Kalendermonat (Anspruchszeitraum) ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegen. Das ist nach der Neuregelung von März der Fall, wenn der Anteil der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vom Entgeltausfall betroffen sind, mindestens 10 % beträgt. Diese müssen wiederum jeweils von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres mtl. Bruttoentgelts betroffen sein. Azubis sind dabei nicht mitzuzählen, geringfügig Beschäftigte hingegen schon, auch wenn Sie selbst kein KUG beziehen können.
Je nachdem ob es sich um einen Betrieb oder eine Abteilung handelt, sind die Quoten sehr unterschiedlich. Um Manipulationen zu vermeiden, müssen die Quoten entweder ganz bei den Arbeitnehmern eines Betriebes oder ganz bei denen einer Betriebsabteilung erfüllt werden. Es ist nicht möglich, z.B. die ersten 14 Tage am Betrieb und danach weitere 14 Tage an einer Abteilung zu messen.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Beschäftigungsvolumens und der Ausfallquoten ist laut § 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III der gesamte Monat (sog. Anspruchszeitraum). Bei Zu- und Abgängen und Änderungen ist der Durchschnitt zu bilden. Ändert sich das Beschäftigungsvolumen durch Personalabbau, so sind die Anspruchsvoraussetzungen neu zu überprüfen und der alte Kurzarbeitergeld-Bescheid kann evtl. gem. § 45 f, 48 SGB X aufgehoben werden. Insoweit gilt zu berücksichtigen, dass Kurzarbeit jeweils monatlich rückwirkend bei der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt werden kann (z.B. für den Monat April noch am 30.04.). Im Rahmen der Anordnung gegenüber den Arbeitnehmern ist die jeweils vereinbarte Ankündigungsfrist zu wahren.
2. Können während der Kurzarbeit Überstunden geleistet werden?
Mitarbeiter, die selbst in Kurzarbeit sind, können keine Überstunden machen. Arbeiten diese, etwa aufgrund von Vertretungsbedarf, mehr Stunden als nach Reduzierung der Arbeitszeit eigentlich vorgesehen, verkürzt dies lediglich die Kurzarbeit. Der Arbeitgeber hat Aufzeichnungen bis zum Ablauf des Jahres, das auf die alle vier Jahre stattfindenden Prüfung folgt, aufzubewahren. Bei den übrigen Mitarbeitern, d. h. denjenigen, für die keine Kurzarbeit angeordnet wurde, haben wir grundsätzlich keine Bedenken, sofern die Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes (KUG) gem. § 96 SGB III weiterhin erfüllt sind (10% der Beschäftigten sind betroffen mit mindestens 10 % Arbeitsausfall). Allerdings gilt zu beachten, dass es sich um verschiedene Abteilungen handeln sollte bzw. es sollten sachliche Gründe dafür vorliegen, die zu der Differenzierung führen, dass einige Mitarbeiter Kurzarbeit leisten und andere sogar Überstunden machen. Im Ergebnis dürfen nicht die Kollegen mit den Überstunden die Kurzarbeit der anderen ausgleichen.
3. Können im Rahmen der Kurzarbeit Anpassungen der Arbeitszeit vorgenommen werden?
Wenn doch wieder z.B. ein Projekt hinzukommt oder sich die Auftragslage wider Erwarten verbessert, ist immer nochmals prüfen, ob der Arbeitsausfall weiterhin im gesetzlich notwendigen Umfang weiterhin besteht, da dies zum Einen die Voraussetzung für den Bezug von KUG ist, zum anderen aber auch die wirksame Anordnung von Kurzarbeit (sei es auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung oder einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung) in der Regel davon abhängig ist, dass auch die Voraussetzungen für den Bezug von KUG vorliegen. Ansonsten ist eine Anpassung der Arbeitszeit möglich – was wiederum der Agentur für Arbeit angezeigt werden muss. Ist die betriebliche Schwelle zum Bezug von KUG nicht mehr erreicht oder können gar die Mitarbeiter zwischenzeitlich voll arbeiten, muss die Kurzarbeit unterbrochen werden. Dauert diese Unterbrechung mindestens einen Monat, verlängert dies den Anspruchszeitraum, da Kurzarbeitergeld (ohne abweichende Verordnung) lediglich für maximal 12 Monate gewährt wird. Liegen zwischen dem letzten Kurzarbeitsmonat und dem erneuten Vorliegen der Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeit drei Monate, beginnt die 12monatige Bezugsdauer erneut.
Sofern sich die Arbeit anders herum weiter reduziert, bedarf es einer erneuten Anordnung mit dem geringeren Arbeitsumfang. Es empfiehlt sich, eine solche Regelung direkt etwa in die Betriebsvereinbarung mit aufzunehmen.
4. Darf der Arbeitgeber einen Zuschuss zum KUG zahlen?
Ein Zuschuss zum KUG durch den Arbeitgeber, um den Entgeltausfall weiter abzumildern ist möglich und wird von einigen Tarifverträgen sogar vorgesehen. Insoweit gilt lediglich zu beachten, dass Ist-Entgelt plus (steuerfreies) KUG plus Zuschuss nicht zu einem höheren Nettoeinkommen führen dürfen als ohne Kurzarbeit. Im Übrigen gilt zu beachten, dass der Zuschuss generell steuerpflichtig ist, während Beitragspflicht nur besteht, wenn der Zuschuss zusammen mit dem KUG 80% des ausgefallenen Arbeitsentgelts übersteigt.
5. Was ist bei besonderen Beschäftigtengruppen wie Azubis, Werkstudenten, geringfügig Beschäftigten und Volontären zu beachten?
Grds. kann gegenüber Auszubildenden keine Kurzarbeit angeordnet werden. Der Ausbildungsbetrieb ist dazu verpflichtet, alle Mittel auszuschöpfen, um die Ausbildung weiter zu gewährleisten. Hierbei hat er beispielsweise folgende Möglichkeiten:
- Umstellung des Ausbildungsplans durch Vorziehen anderer Lerninhalte
- Versetzung in eine andere Abteilung
- Rückversetzung in die Lehrwerkstatt
- Durchführung besonderer Ausbildungsveranstaltungen
Erst wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann Kurzarbeit auch für Auszubildende in Frage kommen. Diese Option ist allerdings restriktiv zu handhaben. Sollte Auszubildenden gegenüber Kurzarbeit angeordnet werden, haben sie Anspruch auf Zahlung der vollen Ausbildungsvergütung für mindestens sechs Wochen (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG). Abweichend von der gesetzlichen Mindestdauer können Ausbildungs- und Tarifverträge längere Fristen vorsehen.
Die Bundesagentur für Arbeit schreibt aufgrund des Coronavirus zu der Frage "Bekommen auch Auszubildende Kurzarbeitergeld" Folgendes (Stand: 26. März 2020):
"In bestimmten Fällen können auch Auszubildende Kurzarbeitergeld bekommen. Allerdings erst nach einem Arbeitsausfall von 6 Wochen oder 30 Arbeitstagen. Bis dahin bekommen sie die volle Ausbildungsvergütung.
In der Regel sind Auszubildende aber nicht von Kurzarbeit betroffen. Der Ausbildungsbetrieb muss versuchen, die Ausbildung weiter zu ermöglichen, indem er z.B. den Ausbildungsplan umstellt oder Auszubildende in einer anderen Abteilung unterbringt.
Wegen des Coronavirus haben viele Betriebe aber kaum eine andere Möglichkeit, insbesondere wenn der Betrieb geschlossen werden muss. In so einem Fall ist Kurzarbeit auch eine Option für Auszubildende.
Kurzarbeitergeld kann außerdem ohne weiteres auch für Auszubildende gezahlt werden, die nach Abschluss ihrer Berufsausbildung eine versicherungspflichtige (befristete oder unbefristete) Beschäftigung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber aufnehmen."
Werkstudenten haben keinen Anspruch auf KUG. Voraussetzung hierfür ist nämlich eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Diese liegt in der Regel auch bei geringfügig Beschäftigten nicht vor.
Bei Volontären dürfte danach zu differenzieren sein, wo der Schwerpunkt der Beschäftigung liegt, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang diese eine Vergütung erhalten, soweit sie oberhalb der geringfügigen Beschäftigung liegen. Überwiegt die Beschäftigung zur Berufsbildung dürften die Regelungen wie für die Auszubildenden anzuwenden sein, im Übrigen sind diese wie abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigte zu behandeln.
6. Nebentätigkeit
Übte der Mitarbeiter auch schon vor der Kurzarbeit eine Nebentätigkeit aus, findet in Bezug auf eine hieraus erzielte Vergütung keine Anrechnung auf das KUG statt. Nimmt er sie erst während der Kurzarbeit auf, wird die Vergütung auf den Bezug von KUG durch Erhöhung des Ist-Entgeltes angerechnet.
Ausnahme:
Wer in einem systemrelevanten Bereich während der Kurzarbeit einen Minijob aufnimmt, bei dem wird der Verdienst nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet. Die Regelung gibt bis Ende Oktober 2020. Voraussetzung ist jedoch, dass der aus der Hauptbeschäftigung noch gezahlte Verdienst zusammen mit dem Kurzarbeitergeld und dem Verdienst aus dem Minijob das normale Bruttoeinkommen nicht übersteigt. Dies wurde am 23. März 2020 vom Bundeskabinett im Rahmen des milliardenschweren Maßnahmenpakets beschlossen. Nach der Weisung der Agentur für Arbeit v. 30.3.2020 sind systemrelevante Branchen oder Berufe:
- medizinische Versorgung, ambulant und stationär, auch Krankentransporte
- Versorgung von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen mit Lebensmitteln, Verbrauchsmaterialen
- Versorgung mit unmittelbar lebenserhaltenden Medizinprodukten und Geräten
- Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln
- Labordiagnostik
- Apotheken
- Güterverkehr z. B. für die Verteilung von Lebensmitteln an den Groß- und Einzelhandel
- Lebensmittelhandel – z. B. Verkauf oder Auffüllen von Regalen
- Lebensmittelherstellung, auch Landwirtschaft
- Lieferdienste zur Verteilung von Lebensmitteln
7. Überstunden und Urlaub zunächst verbrauchen?
Überstunden müssen zunächst abgebaut werden, sofern sie nicht 10 % der jährlichen Arbeitszeit übersteigen. Der aktuelle Urlaub muss nicht zunächst vollständig genommen werden. Die Arbeitnehmer sollten befragt werden, ob sie diesen zunächst nehmen möchten, sonst um die Jahresplanung gebeten werden.
8. Hat der Arbeitnehmer beim etwaigen späteren Arbeitslosengeld Nachteile?
Nein, das Arbeitslosengeld wird so berechnet, als hätte der Arbeitnehmer kein KUG bezogen.
9. Was ist bei Mitarbeitern zu beachten, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen?
Auch bei Mitarbeitern, die eine Vergütung oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (WEST: 6.900 EUR monatlich, OST: 6.450 EUR monatlich) erhalten, kann Kurzarbeit angeordnet werden. KUG erhalten diese jedoch nur, wenn das Ist-Entgelt unter die Beitragsbemessungsgrenze fällt, da für die Berechnung die bisherige Vergütung rechnerisch auf die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt wird.
10. Spielt es eine Rolle, ob der Mitarbeiter bei Eintritt in die Kurzarbeit arbeitsunfähig ist? Was ist, wenn er es später wird?
Erkranken Mitarbeiter während des Bezugs von KUG, erhalten Sie dieses in dem Umfang, in dem auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestünde, d. h. auch in der Höhe, in der der Mitarbeiter im Fall der Arbeitsfähigkeit Kurzarbeitergeld beanspruchen könnte. War der Mitarbeiter bereits erkrankt, als die Kurzarbeit eingeführt wurde, erhält der Mitarbeiter kein Kurzarbeitergeld, aber Krankengeld in gleicher Höhe, solange der Entgeltfortzahlungszeitraum besteht. Auch in diesen Fällen ist der Arbeitgeber – entgegen den sonstigen Fällen des Krankengeldes – verpflichtet, das anstelle des Kurzarbeitergeldes tretende Krankengeld zu berechnen und an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Der Arbeitgeber muss dann den entsprechenden Erstattungsanspruch gegenüber der Krankenkasse geltend machen.
11. Was ist im Falle eines Feiertages während der Kurzarbeit zu beachten?
Der Mitarbeiter erhält nach unserer Auffassung vom Arbeitgeber nur das Entgelt in Höhe des KUG, nicht aber in Höhe des Verdienstes, den er als Feiertagsentgelt ohne die Anordnung von Kurzarbeit erhalten hätte. Für den Feiertag wird aber kein KUG durch die Agentur für Arbeit gewährt, sondern der Arbeitgeber muss das allein zahlen. Zudem gilt, dass infolge der Kurzarbeit während eines Feiertages ausgefallene Arbeit als infolge des Feiertages ausgefallen gilt. Eine etwa schichtplanmäßige Umgehung der Feiertagsvergütung durch Anordnung tageweiser Kurzarbeit ist nicht möglich.
12. Gilt die Anordnung von Kurzarbeit auch den Mitarbeitern gegenüber, die sich nach einer Kündigung oder Abschluss eines Aufhebungsvertrages in der Kündigungsfrist befinden?
Der Bezug von KUG setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer selbst gekündigt hatte.
Kündigt der Arbeitnehmer nach Einführung der Kurzarbeit, verliert er mit Zugang der Kündigung seinen Anspruch auf KUG. Ob er dann vom Arbeitgeber das volle Entgelt verlangen kann oder auf den Bezug des reduzierten Entgeltes begrenzt ist, hängt von den jeweiligen Regelungen im Rahmen der Einführung der Kurzarbeit ab. In der Regel ist es so, dass die Nichtgewährung von KUG auflösende Bedingung für die Einführung der Kurzarbeit ist.
13. Kann Kurzarbeit auch gegenüber werdenden Müttern angeordnet werden?
Bei werdenden Müttern sind in der Regel zwei Leistungsanlässe und Leistungszeiträume zu unterscheiden: Während der Schutzfristen unmittelbar 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Entbindung erhält die Mitarbeiterin Mutterschaftsgeld von der Krankenkasse und einen Zuschuss vom Arbeitgeber, der sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen 13 Euro und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist vor der Entbindung bemisst, wobei Kürzungen des Arbeitsentgelts infolge Kurzarbeit keine Berücksichtigung finden.
Davon zu unterscheiden sind die Leistungen während eines sonstigen Beschäftigungsverbots. Hier gilt, da weder eine Schlechter- noch eine Besserstellung der sich im Beschäftigungsverbot befindenden Mitarbeiterin bezweckt ist, eine im Betrieb eingeführte und im Beschäftigungsfall auch die werdende Mutter erfassende Kurzarbeit mit der entsprechenden Vergütung zuzüglich KUG auch für diese.
Allerdings gilt zu beachten, dass Kurzarbeit im Bemessungszeitraum vor einer Elternzeit unmittelbar den Elterngeldanspruch mindert, da KUG keine Berücksichtigung als Einkommen findet. Nicht selten werden daher schwangere Frauen oder werdende Väter, die Elterngeld in Anspruch nehmen und bei denen der Bezug von Kurzarbeitergeld in dem Bemessungszeitraum des Elterngeldes fallen wird, aus dem Anwendungsbereich von Kurzarbeit herausgenommen, um diesen nicht doppelt zu schaden.
Für weitere Beratungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Hier finden Sie unsere oben erwähnten weiteren Beiträge zum Corona-Virus:
Corona-Virus, was muss der Arbeitgeber beachten?