Publikation –

20.9.2021

Auch gruppenangehörige Unternehmen benötigen einen eigenen Meldekanal - EU-Kommission lehnt zentrales Hinweisgebersystem klar ab

Wenn am 17.12.2021 die Frist für die Umsetzung der europäischen Whistleblowing-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) ausläuft, sollten Unternehmen gut auf die neuen Anforderungen vorbereitet sein. Aktuell beschäftigen sich daher viele Organisationen mit der Optimierung oder dem Aufbau ihres Compliance-Management-Systems und insbesondere mit dem Aufbau eines richtlinienkonformen Hinweisgebersystems.

Die EU-Kommission hat jüngst in zwei Mitteilungen wichtige Hinweise zur Auslegung der Richtlinie (EU) 2019/1937 („Whistleblowing-Richtlinie“) in Bezug auf Hinweisgebersysteme in Gruppenunternehmen gegeben. Konkret geht es um die Frage, ob ein zentrales Meldesystem für die Muttergesellschaften und alle gruppenangehörigen Gesellschaften ausreichend ist, oder ob jede Gesellschaft ein eigenes Hinweisgebersystem vorhalten muss.  

Zentrales Meldesystem für die gesamte Gruppe ausreichend?

Die EU-Kommission hat in ihren beiden Äußerungen (Stellungnahmen der EU-Kommission vom 02.06.2021 und vom 29.06.2021), die auf Anfragen von großen Konzernen zurückgehen, der in der Praxis oft vorkommenden zentralen Lösung, bei der eine Compliance-Stelle die Meldungen aus allen gruppenangehörigen Gesellschaften entgegennimmt, eine deutliche Absage erteilt. Die EU-Kommission positioniert sich in ihren Mitteilungen klar für eine wortgenaue Auslegung der Richtlinie und erwartet daher die Einrichtung eines eigenen, selbstständigen Hinweisgebersystems in allen Gesellschaften mit mehr als 50 Mitarbeitern. Die EU-Kommission begründet dies mit einer von ihr in Auftrag gegebenen Studie, die ergab, dass der in der Praxis übliche status quo nicht zweckmäßig ist, weil in großen Gruppenstrukturen potentielle Hinweisgeber oftmals nicht wissen, wohin sie sich wenden müssen, weil es an leicht zugänglichen Kanälen und Informationen fehlt.

Ausschließlich zentrale, gruppenweite Lösung scheidet prinzipiell aus

Wenn in der Gruppe Gesellschaften mit mehr als 50 Mitarbeitern existieren, scheidet somit ein ausschließlich zentrales Hinweisgebersystem für die ganz Gruppe aus. Jede Gesellschaft muss für sich die Anforderungen der EU-Richtlinie erfüllen und einen Meldekanal einrichten.

Ein Nebeneinander von zentralem und dezentralem Ansatz möchte die EU-Kommission allerdings akzeptieren. Wenn sichergestellt wird, dass jede Tochtergesellschaft ihren eigenen Meldekanal einrichtet und betreibt, schadet ein zusätzlicher zentraler Meldekanal nicht. Der Hinweisgeber hat dann die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, an welche Hinweisgeberstelle er sich wendet. Diese Lösung bietet Unternehmen jedenfalls die Chance, durch Kommunikationsmaßnahmen im Unternehmen, den zentralen Meldekanal zum bevorzugten Weg der Hinweisgeber zu machen.  

Lichtblick für den Mittelstand – Ressourcenbündelung bleibt möglich

Darüber hinaus sieht der Wortlaut der Richtlinie (Art. 8 Abs. 6) gewisse Erleichterungen für Gesellschaften mit bis zu 249 Beschäftigten vor, wie die EU-Kommission noch einmal bekräftigt. Demnach ist es solchen mittelgroßen Organisationen gestattet, Ressourcen für die Entgegenahme von Meldungen und zur Durchführung von Untersuchungen zu bündeln und gemeinsam zu nutzen. Mehrere Unternehmen können sich also zusammenschließen und die Bearbeitung und Untersuchung der Hinweise von einer gemeinsamen Stelle, beispielsweise einem Vertrauensanwalt, erledigen lassen. Dies soll ausdrücklich für Gruppengesellschaften möglich sein. Der Kommission zufolge ist es nicht ausgeschlossen, dass eine mittelgroße gruppenangehörige Gesellschaft von den Kapazitäten der Muttergesellschaft bei internen Untersuchungen profitieren kann, wenn innerhalb der Gruppe eine zentrale, unternehmensübergreifende Compliance-Struktur besteht. Voraussetzungen hierfür sind neben einer Größe von bis zu 249 Beschäftigten, dass auf der Ebene der Tochtergesellschaft weiterhin Berichtswege bestehen und verfügbar bleiben, der Hinweisgeber umfassend darüber informiert wird, dass seine Meldung an einen zentralen Meldekanal weitergeleitet wird und schließlich, dass der Hinweisgeber das Recht hat, hiergegen Einspruch zu erheben und zu verlangen, dass seine Meldung nur innerhalb der Tochtergesellschaft untersucht wird.

Allerdings stellt die Kommission klar, dass in diesem Fall zumindest das Ergebnis der Untersuchung konzernintern kommuniziert werden darf.

Was tun?

Die EU-Kommission hat nun die Anforderungen an ein richtlinienkonformes Hinweisgebersystem in der Gruppe zumindest insoweit klar definiert, als dass sie jede Gesellschaft mit mehr als 50 Mitarbeitern in der Pflicht sieht.

Bei der Neueinrichtung von Hinweisgebersystemen sollte diese Positionierung ab sofort Berücksichtigung finden – bei bestehenden Lösungen empfehlen wir zu prüfen, ob sie den Vorgaben der Kommission gerecht werden.

Einen effizienten Weg sehen wir zum Beispiel in einer Vertrauensanwaltslösung, die einen mehrmandantenfähigen digitalen Meldekanal integriert. Hier können die Anforderungen jeweils passgenau umsetzt werden und es besteht die Möglichkeit, einen zentralen und dezentrale Meldekanal einfach miteinander zu kombinieren. Unternehmen mit zentraler Compliance-Struktur können dann durch vertrauensbildende Kommunikationsmaßnahmen eine Bevorzugung des zentralen Meldekanals erreichen. Solange es eine bewusste Entscheidung des Hinweisgebers für den zentralen Kanal gibt, ist die Lösung auch aus Sicht der EU-Kommission adäquat.

Wir überlegen gerne mit Ihnen gemeinsam, wie Sie in Ihrer Gruppe die Anforderungen möglichst effizient abbilden können. Unser digitales Hinweisgebersystem AdvoWhistle bietet vielfältige Möglichkeiten für ein individuelles richtlinienkonformes Setup, das wir Ihnen gerne vorstellen.

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Stephanie KappenStephanie Kappen

Rechtsanwältin, Partnerin,
Certified Chief Compliance Officer

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