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22.12.2020
Am 18.12.2020 ist im Bundesrat das Jahressteuergesetz 2020 verabschiedet worden. Dieses umfangreiche Gesetz enthält unter anderem auch eine Vielzahl von bereits lange erwarteten bedeutenden Änderungen für gemeinnützige Organisationen und zur Stärkung des Ehrenamtes.
Den Gesetzesbeschluss des Bundesrats finden Sie hier.
Nachfolgend ein Überblick zu den wichtigsten verabschiedeten Neuerungen:
Die meisten Änderungen treten am Tag nach Verkündung des Jahressteuergesetzes 2020 im Bundesgesetzblatt in Kraft.
Servicegesellschaften, Erbringung von Funktionsleistungen
Eine Körperschaft ist nach dem neuen Wortlaut von § 57 Abs. 3 Satz 1 Abgabenordnung (AO) auch dann selbst „unmittelbar gemeinnützig“ tätig, wenn sie aufgrund ihrer eigenen Satzung planmäßig mit mindestens einer weiteren gemeinnützigen Körperschaft zusammenwirkt.
Die Neuregelung in Absatz 3 des § 57 AO lautet:
„(3) Eine Körperschaft verfolgt ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren Körperschaft, die im Übrigen die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 erfüllt, einen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht. Die §§ 14 sowie 65 bis 68 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass für das Vorliegen der Eigenschaft als Zweckbetrieb bei der jeweiligen Körperschaft die Tätigkeiten der nach Satz 1 zusammenwirkenden Körperschaften zusammenzufassen sind.“
Damit werden sogenannte „Funktionsleistungen“ nunmehr als gemeinnützig anerkannt.
Nach der Neuregelung soll die satzungsgemäße Verwirklichung eines steuerbegünstigten Zwecks durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren Körperschaft, die im Übrigen die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 AO erfüllt, einen Fall der unmittelbaren Zweckverwirklichung darstellen. Körperschaften soll es hierdurch zukünftig ermöglicht werden, steuerbegünstigt arbeitsteilig zusammenzuwirken, um gemeinsam einen steuerbegünstigten Zweck zu realisieren. Verfolgen mehrere Körperschaften, die außer dem Unmittelbarkeitsgrundsatz alle Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 AO erfüllen, satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken einen gemeinnützigen Zweck, ist das Kriterium der Unmittelbarkeit für alle beteiligten Körperschaften erfüllt.
Dies stellt eine Ausnahme vom geltenden Grundsatz, dass eine Körperschaft ihre satzungsgemäßen Zwecke grundsätzlich selbst verwirklichen muss, dar. Somit ist es auch möglich, dass zukünftig eine ausgegliederte reine „Servicegesellschaften“ die bisher mangels unmittelbarer Zweckverwirklichung nicht steuerbegünstigt war, zukünftig auch als unmittelbar gemeinnützig tätig anzusehen ist, sofern sie ihre Leistungen anderen gemeinnützigen Organisationen, etwa in einem Konzern, als Vorleistung für deren gemeinnützige Tätigkeiten erbringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Körperschaft über eine gemeinnützigkeitskonforme Satzung verfügt.
Durch diese Neuregelung wird zugelassen, dass Servicegesellschaften, insbesondere solche die in einem gemeinnützigen Konzern eingegliedert sind, künftig zu großen Teilen ertragssteuerfrei tätig sein können. Erbringt die Servicegesellschaft hingegen entgeltliche Serviceleistungen an nicht gemeinnützige Dritte sind diese Umsätze -wie bisher auch- einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Servicegesellschaft zuzuordnen.
Möglichkeit der Schaffung von Konzernstrukturen im gemeinnützigen Bereich
Zukünftig wird auch eine reine Holdingkörperschaft, ohne eigene operative gemeinnützige Tätigkeit, an der Spitze eines gemeinnützigen Konzerns steuerbegünstigt sein können. Dies ermöglicht die Neuregelung in § 57 Abs. 4 AO.
Die Neuregelung in Absatz 4 des § 57 AO lautet:
„(4) Eine Körperschaft verfolgt ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn sie ausschließlich Anteile an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften hält und verwaltet.“
Durch die Ergänzung des Absatzes 4 soll zukünftig auch das reine Halten und Verwalten von Anteilen an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften einen Fall der unmittelbaren Zweckverwirklichung darstellen können.
Hält also eine Körperschaft ausschließlich Anteile an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften (z. B. nach Ausgliederung aller operativen Tätigkeiten auf Beteiligungsgesellschaften), so war dies nach bisher geltendem Recht nicht steuerbegünstigt, sofern die Körperschaft ohne eigene operative gemeinnützige Tätigkeit ausschließlich typische Aufgaben einer reinen Holdinggesellschaft wahrnimmt. Sie musste deshalb, um als steuerbegünstigte Körperschaft anerkannt werden zu können, in nennenswertem Umfang selbst steuerbegünstigte satzungsmäßige Tätigkeiten verfolgen. Dies konnte allerdings auch in der Form einer sog. „Förderkörperschaft“(im Sinne des § 58 Nr. 1 AO) geschehen.
Der Bundesrat sah dieses Ergebnis zu Recht als nicht sachgerecht an, da sich durch die Aufteilung der operativen (steuerbegünstigten) Tätigkeit auf mehrere (Tochter-) Gesellschaften bei wertender Betrachtung das wirtschaftliche Gesamtbild nicht ändert.
Daher kann zukünftig eine Körperschaft auch dann selbst „unmittelbar gemeinnützig“ tätig sein, wenn sich ihre Tätigkeit darauf beschränkt, Beteiligungen an gemeinnützigen Kapitalgesellschaften zu halten und zu verwalten (§ 57 Abs. 4 AO).
Zuwendung von Mitteln, Nutzungsüberlassung
Auch in § 58 AO wurde eine Änderung vorgenommen, so wurde die Regelung in § 58 Nr. 2 AO ersatzlos gestrichen und in die Regelung des § 58 Nr. 1 AO (Mittelbeschaffung) integriert. Damit sind die in § 58 Nr. 2 AO enthaltenen Restriktionen – Mittelweitergabe nur an in Deutschland ansässige gemeinnützige Organisationen und betragsmäßig nur „teilweise“ – entfallen. Nach der Auffassung des Bundesrates soll dies zu mehr Rechtssicherheit führen und den Verwaltungsvollzug vereinfachen.
Künftig beurteilen sich laufende Mittelweitergaben somit allein nach § 58 Nr. 1 AO. Die Neuformulierung beinhaltet dann künftig sowohl die Mittelbeschaffungstätigkeit (bisher § 58 Nr. 1 AO) als auch die Weitergabe sonstiger Mittel an andere Körperschaften (bisher § 58 Nr. 2 AO).
§ 58 Nr. 1 AO wird wie folgt gefasst:
„1. eine Körperschaft einer anderen Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Mittel für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke zuwendet. Mittel sind sämtliche Vermögenswerte der Körperschaft. Die Zuwendung von Mitteln an eine beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft des privaten Rechts setzt voraus, dass diese selbst steuerbegünstigt ist. Beabsichtigt die Körperschaft, als einzige Art der Zweckverwirklichung Mittel anderen Körperschaften oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzuwenden, ist die Mittelweitergabe als Art der Zweckverwirklichung in der Satzung zu benennen,“
Zukünftig sind Zuwendungen zu anderen steuerbegünstigten Zwecken als den eigenen Satzungszwecken in fast unbeschränkter Höhe zulässig (§ 58 Nr. 1 Satz 1 AO). Die bisher geltende Beschränkung des Umfangs der weitergabefähigen Mittel im Verhältnis zum Gesamtvermögen der zuwendenden Körperschaft ist somit abgeschafft.
Sofern die Mittelweitergabe aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht die einzige Aktivität der Körperschaft ist (§ 58 Nr. 1 Satz 4 AO), muss dem Gebot der Satzungsklarheit entsprechend, die Mittelweitergabe als Tätigkeit satzungsgemäß verankert werden, wenn es sich um das einzige Mittel zur Verwirklichung des geförderten Zwecks handelt. Trotzdem empfiehlt es sich die Mittelweitergabe auch künftig aus zivilrechtlichen Gründen in der Satzung zu erfassen und so Klarheit und Transparenz zu schaffen.
Die Neuformulierung beinhaltet nunmehr auch die ausdrückliche Regelung, wonach Mittel, die Gegenstand einer Fördertätigkeit sein können, „sämtliche Vermögenswerte“ sind (§ 58 Nr. 1 Satz 2AO). Somit ist auch die Bereitstellung einer Vermögenssubstanz möglich. Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass auch die unentgeltliche oder verbilligte Nutzungsüberlassung oder die unentgeltliche oder verbilligte Erbringung von Dienstleistungen eine Fördertätigkeit im Sinne des § 58 Nr. 1 AO darstellt. Wesentliches Element der steuerbegünstigten Tätigkeit ist damit auch die Aufgabe der Voraussetzung der Vereinnahmung eines (marktüblichen) Entgelts für die erbachten Leistungen.
Der neu in die AO eingefügte § 58a AO sieht eine Vertrauensschutzregelung für gemeinnützige Geberkörperschaften vor, die an § 10b Abs. 4 EStG angelehnt ist. Sie soll den guten Glauben der Geberkörperschaft an die Richtigkeit auf den „Steuerstatus“ der Empfängerkörperschaft aufgrund der von der Empfängerkörperschaft vor der Mittelzuwendung überlassenen aktuellen Freistellungsbescheide, die „Anlage Gemeinnützigkeit“ zum Körperschaftsteuerbescheid oder den Feststellungsbescheid nach § 60a AO, schützen.
Erweiterung des Katalogs der gemeinnützigen Zwecke und Zweckbetrieben
Der in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO gesetzlich normierte Katalog der gemeinnützigen Zwecke wird um fünf weitere Zwecke ergänzt. Der Katalog wurde um die Zwecke Förderung des Klimaschutzes (Nr. 8), die Förderung der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen und die Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nichtbestattungspflichtige Kinder und Föten (Nr. 9a), die Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden (Nr. 10), die Förderung der Ortsverschönerung (Nr. 22) sowie die Förderung des Freifunks (Nr. 26) ergänzt.
Weiterhin werden zwei neue Zweckbetriebsvorschriften im Bereich der Wohlfahrtspflege eingeführt. Zum einen wird die entgeltliche Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen unter Beachtung der Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AO („nicht des Erwerbs wegen“), zum anderen die entgeltliche Durchführung der Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen bzw. Behinderungen (§ 68 Nr. 1 Buchst. c und § 68 Nr. 4 AO) als Zweckbetrieb erfasst.
Partielle Befreiung vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung
Kleine Organisationen mit Einnahmen von höchstens 45.000,00 Euro pro Jahr sind vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung befreit (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 AO). Die Regelung soll zu einem Bürokratieabbau bei kleineren Körperschaften beitragen, indem Körperschaften mit jährlichen Einnahmen von 45.000,00 Euro oder weniger nicht den strengen Maßstäben der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen und damit die Körperschaften als auch die für Überwachung zuständigen Finanzämter entlasten.
Bescheid gemäß § 60a AO
Gesetzlich normiert ist zukünftig auch, dass ein Finanzamt berechtigt ist, die Erteilung eines Feststellungsbescheids nach § 60a AO zu verweigern oder einen bereits erteilten Bescheid als Rechtsscheinsträger für die Steuerbegünstigung wieder zurückzunehmen, wenn die Organisation zwar die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung erfüllt, es aber Anzeichen dafür gibt, dass die fragliche Organisation aufgrund ihrer tatsächlichen Geschäftsführung voraussichtlich nicht als gemeinnützig anerkannt werden kann (§ 60a Abs. 6 AO). Derartigen Organisationen soll es künftig nicht länger möglich sein, auf Grundlage des Feststellungsbescheides nach § 60a AO Zuwendungsbestätigungen über Spenden und Mitgliedsbeiträgen auszustellen.
Anhebung der Freigrenze für Einnahmen aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
Die Freigrenze, bei deren Überschreitung eine gemeinnützige Organisation ihr steuerliches Ergebnis der ertragssteuerpflichtigen Sphäre (wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb) in voller Höhe besteuern muss, wird von derzeit 35.000,00 Euro auf 45.000,00 Euro angehoben (§ 64 Abs. 3 AO).
Darüber hinaus wurde der Freibetrag gem. § 24 S. 1 KStG, § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 GewStG von 5.000,00 Euro auf 7.500,00 Euro erhöht.
Schaffung eines Zuwendungsempfängerregisters
Ab dem 01.01.2024 soll bei dem Bundeszentralamt für Steuern ein zentrales „Zuwendungsempfängerregister“ eingerichtet werden, indem die steuerbegünstigte Einrichtungen (i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG) gelistet werden.
Hintergrund ist, dass Verfahren zum Abzug von Spenden und Mitgliedsbeiträgen für Organisationen, Zuwendende und die Steuerverwaltung zu digitalisieren und dazu das neue Register hierfür als elektronische Plattform zu nutzen. Ebenso soll die Belegvorhaltepflicht entfallen, weil eine Spendenquittung in Papier für den Steuerabzug dann nicht mehr erforderlich sein dürfte.
Stärkung des Ehrenamts, Vereinfachter Spendennachweis
Endlich wird zum 1. Januar 2021 auch die Übungsleiterpauschale von bislang 2.400,00 Euro jährlich auf nunmehr 3.000,00 Euro jährlich und die Ehrenamtspauschale von bislang 720,00 Euro jährlich auf 840,00 Euro jährlich erhöht (§ 3 Nr. 26 Satz 1 und § 3 Nr. 26a Satz 1EStG).
Auch die Grenze, bis zu der Spenden und Mitgliedsbeiträge auch ohne Vorlage einer schriftlichen Zuwendungsbestätigung abziehbar sind, wird von aktuell 200,00 Euro auf 300,00 Euro angehoben (vgl. § 50 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStDV). Bis zu diesem Betrag müssen keine gesonderten Zuwendungsbescheinigungen ausgestellt werden. Ein Zahlungsbeleg reicht als Nachweis aus.
Die Anhebung der Übungsleiter- und Ehrenamtspauschalen war lange erwartet und ist als eine Wertschätzung für das Engagement der Freiwilligen zu sehen und wird zu einer Ausweitung des ehrenamtlichen Engagements führen.
Darüber hinaus enthält das Gesetz auch diverse Änderungen zur Umsatzsteuer, hier insbesondere zu den in § 4 Nr. 14, 16, 23 und 25 UstG enthaltenen Befreiungsvorschriften.
Ausblick:
Die Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht sind sehr zu begrüßen und sind vom Dritten Sektor lange erwartet worden. Insbesondere die Neuregelungen zu Servicegesellschaften und gemeinnützigen Konzernen sowie die Nutzungsüberlassung von Immobilien werden dazu führen, dass diverse Strukturreformen, die bereits seit längerem geplant sind, nun endlich erfolgversprechend umgesetzt werden können.
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Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht,
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